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Donnerstag, 29. April 2010

Armut, Leid, Trauer - (Glück-)Seligkeit! - Gedanken zu Matthäus 5, 3.4

Den (geistlich) Armen und den Leid Tragenden wird durch Christus der Zustand der Seligkeit nicht für eine ferne Zukunft verheißen, sondern er wird ihnen als gegenwärtig zugesprochen. Das erscheint paradox und beinahe zynisch; die Aussage bedarf (zumindest für uns) der Klärung.

Beginnen wir mit der Klärung der Begriffe: Was bedeutet es, "geistlich arm" oder wie früher übersetzt wurde "arm im Geiste" zu sein? Das hat nichts mit intellektueller Beschränktheit zu tun, auch nichts mit irgendwelchen tatsächlichen oder scheinbaren "Mängeln" anderer Religionen oder Konfessionen, es ist vielmehr die Beschreibung eines seelischen (nicht etwa psychischen) Zustandes. Die Form des (deutschen) Ausdruckes ergibt sich ja aus dem griechischen Grundtext. Wenn man aber rein wörtlich und grammatikalisch übersetzt, gehen Sinninhalte verloren. Man muss auch den historischen Kontext sowie die philosophisch-religiösen Zusammenhänge zur Zeit der Textabfassung miteinbeziehen.

Wenn wir das tun, dann gerät die uns gegebene deutsche Übersetzung des Matthäuswortes in Widerspruch zu dessen eigentlicher Intention und Aussage. Das gesamte NT preist doch gerade jene, die reich sind im Geiste, reich sind in Gott, sich vom Geiste und durch den Geist reich machen liessen. Es ist geradezu das Ziel, sich von Gott und seinem Geiste füllen, erfüllen, bereichern zu lassen. Sollten bereits jene ersten Christen ihren Herrn nicht verstanden, ja, ihn offenbar gründlich mißverstanden haben? Nein, dass haben sie nicht. Im Gegenteil, sie haben sein Wort beherzigt und waren bereits einen Schritt weiter. Sich von Gott reich machen zu lassen, sich von seinem Geiste die Seele (mit jener [Glück-]Seligkeit) erfüllen zu lassen, setzt ja zunächst voraus, dass man sich der eigenen Armut und Bedürftigkeit bewusst ist. Und dann kommt das Verlangen nach Erfüllung, Bereicherung und Selig-werden ganz von selbst.

Das griechische Wort für Geist (pneuma) steht an dieser Stelle im Dativ, womit die Übersetzung mit "arm im Geiste" richtig erscheint. Allerdings hat der griechische Dativ auch eine kausative Bedeutung, weshalb sich ebenso (vielleicht sogar richtiger) übersetzen lässt: "Glückselig sind all jene, die arm sind, arm geworden durch das Wirken des Geistes - also: "arm durch den Geist"*! Die sich durch den Heiligen Geist in sich selbst haben arm machen lassen, und zwar so arm, dass sie vollkommen zerschlagenen und zerbrochenen Herzens sind - genau denen wird nun von Christus Seligkeit zugesprochen, sie werden glücklich gepriesen (vgl Jesaja 57;15).

* nach Fritz Rienecker "Das Evangelium des Matthäus" (WuStB) S. 75

Das Wort Jesu stand im krassen Gegensatz zur Auffassung der pharisäischen Lehre. Diese meinten: Wer sich Punkt für Punkt exakt an die Thora, das Gesetz, halte, der sei bei Gott schon einmal nicht "im Minus". Wer dann (darüber hinaus) noch Gutes tue, Almosen gebe, quasi "den Plan übererfülle", die tradierten Lehren der Väter, die Halacha, buchstäblich erfülle, dem müsse Gott zwingend "ein (dickes) Plus" zuerkennen; der also sei reich in Gott, im Geiste. Jesus wandte sich gegen diese Haltung, weil sie anmaßend ist und Gottes Souveränität, seine völlige Freiheit und Unabhängigkeit bestreitet. Es ist Hybris, die meint, mit möglichst exaktem Befolgen des Gesetzes schon Gott gerecht werden zu können. Und sie glaubt, im Falle einiger geringfügiger Gesetzesübertretungen die Sache dann eben mit einem deutlichen Plus an guten Taten ausgleichen zu können. Damit bedarf der Mensch der Gnade Gottes nicht mehr und ist in der Lage, sich selbst zu erlösen. Gott ist damit überflüssig geworden. Ein entscheidender Mangel in dieser Haltung hätte eigentlich zu denken geben müssen: Wenn der Tod die Folge (der Sold) der Sünde ist, dann hätten all jene, die vermeinten, sich im Geistlichen ein fettes Plus erwirtschaftet zu haben, nicht mehr dem Tode anheimfallen dürfen. Aber Gott ist eben doch souverän. Und deswegen sagte Christus, in der Armut, die durch das Wirken des Geistes erkannt und anerkannt wird, liege der eigentliche Weg zur Seligkeit. Im Armsein durch den Geist, im Zerbruch, im Zerschlagen-sein, in der Umkehr, dem Zurückgeworfen-sein auf Gott, der uns in Christus seine helfende, heilende, erlösende Hand entgegen streckt, ist der einzige Weg, um wahrhaftig das Königreich der Himmel (vgl. Johannes 3) zu erlangen*.

* F. Rienecker, ebd. S. 75

Unsere Armut besteht darin, dass wir als Sünder völlig rettungslos dem Tode verfallen sind. Allein Gott - in seinem Christus - kann uns von diesem Tode erlösen, erretten, heilen. Das gilt es zu erkennen und anzuerkennen. Jede Lehre, die behauptet, sie wisse Mittel und Kniffe, dem auf anderem Wege beizukommen, ist falsch, ist eine Irrlehre, eine Verführung zum Tode. Wir haben nur Christus, nur die Gnade Gottes, nur unserern Glauben daran. Aber das ist vor Gott genug; sich auf ihn verlassen, sich ihm völlig anzuvertrauen - das ist der Weg zum Heil, so findet man seine Nähe.

Was bedeutet es, "Leid zu tragen"? Sind damit die gemeint, die mit Krankheit, Schmerz, Unheil, Belastungen, Plagen, Sorgen, Nöten und Ängsten zu tun haben, jene, die Angehörige, Hab und Gut, Gesundheit und ein halbwegs normales Leben verloren haben? Die Antwort müsste lauten: Ja, - auch! Die Übersetzung "die Leid tragen" ist wieder zu eng gefasst. Es geht nicht allein um physische Nöte, Mängel, Schmerzen, Leiden und Gebrechen, nicht allein um psychische Ausnahmesituationen und Defizite, sondern es geht um die Seele, also um den Menschen als Ganzes. Deshalb ist hier mit "Selig sind die Trauernden"* vielleicht etwas treffender übersetzt. Zu den Trauernden zählen auch all die, denen ihre Sünde, der ganze Jammer des eigenen, dem Tode verfallenen, von Gott entfernten Ichs klar geworden ist. Es sind auch jene, die den Abgrund der Sünde, das Gift des unausweichlichen Todes, erkannt haben und heillos erschrocken sind über die verwerfliche (und verworfene) Sündennatur der Menschheit. Es stellt sich die Frage, ob wir tatsächlich an unseren Sünden leiden. Ist uns bewußt, welche Konsequenzen diese zur Folge haben, erschüttert uns das? Und wenn wir uns damit befassen, dann erschreckt uns vor allem die Tatsache, dass es nichts gibt in der Welt, das Abhilfe schaffen könnte. Aus dieser Trauer gibt es keinen natürlichen Weg.

*F. Rienecker, ebd. S. 76

Das ist vielleicht der Grund, warum so viele Menschen diese Tatsachen verdrängen, sie einfach beiseite schieben, als träfen sie nur für die Anderen zu. Wie das Leugnen einer Gefahr diese nicht beseitigt, so beseitigt auch das Verdrängen unseres Verlorenseins in der Sünde die Folgen desselben nicht. Wir können diesem Leide, dieser Trauer, nicht auf Dauer ausweichen. Früher oder später werden wir ohne Nachsicht damit konfrontiert. Und nicht erst für diesen Zeitpunkt sagt Christus Hilfe, sogar Seligkeit, zu, sondern wiederum heute, jetzt. Das bedeutet aber, dass wir auch gegenwärtig - hic et nunc - dieses Leid annehmen, uns dieser Trauer und dem damit verbundenen Schmerze aussetzen, bereit sind zum Tragen. Und dann ist uns der Trost dessen zugesagt, der einzig trösten kann, der als Einziger die Kausalitätskette Sünde-Tod durchbrechen kann. Wenn wir unsere Sünde, unsere Verworfenheit, unser Dem-Tode-geweiht-sein, erkennen, uns Gott gegenüber schuldig bekennen, ernsthaft (also nicht allein wegen der drohenden Strafe) bereuen, uns genauso ernsthaft vornehmen, künftig so gut es eben geht die Sünde zu meiden, versuchen wollen, das Gute vor Gott und gegen den Nächsten zu tun, uns vollumfänglich der Gnade Gottes demütig anbefehlen, - wenn wir also trauern (wegen unserer Sünde) und bereit sind, das Leid (des damit verbundenen Todes) zu tragen, dann erreicht uns Gottes Trost, seine Hilfe, sein gnädiges Annehmen, seine grenzenlose Liebe und Barmherzigkeit. Und dieses Erkennen und Bekennen vor Gott hat nun wieder nichts allein Persönliches, Egoistisches, sondern es erstreckt sich auch auf den Nächsten. Wir sollen nicht seine Sünden bekennen; das wäre ein Anklagen. Wir sollen auch unter seiner Sündenlast, unter seinem Vom-Tode-bedroht-sein leiden und darüber trauern. Auch hierin ist Christsein eine Solidargemeinschaft.

Ich finde es so unendlich erbauend, dass Christus uns nicht auf den berühmt-berüchtigten "St.-Nimmerleins-Tag" vertröstet, sondern uns (Glück-)Seligkeit, die Teilhabe am Reich der Himmel, den Trost und die Gnade Gottes schon heute zuspricht. Ein Vertrösten auf eine irgendwann eintretende Zukunft mag kurzfristig Entlastung bringen, aber wirkliche und dauerhafte Hilfe bringt nur die sofortige Nähe Gottes, heute, hier, jetzt. Das ist es, was uns Jesus zusagt, wenn wir uns auf ihn einlassen. Ich möchte es einfach versuchen.